Aktuelle Stellungnahme zur Citybahn Wiesbaden

Stellungnahme:

Aktuelle Stellungnahme zur Citybahn Wiesbaden
von Ralf Jahncke, TransCare GmbH, Wiesbaden

Ich wurde im Sommer 2018 von der IHK gebeten, einen Diskussionsbeitrag zur Citybahn zu liefern. Dieser Vortrag befasste sich kritisch mit dieser Planung, insbesondere aus folgenden Gründen:

  1. Die Automobilität in Wiesbaden ist auch deshalb so hoch, weil es kaum Fahrradwege gibt und deshalb der Anteil dieser Mobilitätsform in Wiesbaden sehr gering im Vergleich zu anderen Städten ist (dort 5-10x höher).
  2. E-Räder sind erst seit 2018 im Kommen. Damit ist das Fahrradfahren in hügeligem Gelände jetzt einfacher und bequemer.
  3. Ergo werden vernünftige Fahrradwege und neue Technologien viele Fahrten auf das Fahrrad verlagern. Damit fällt die Nutzen-Kosten-Untersuchung (NKU) in sich zusammen, weil diese auf dem Mobilitäts-mix aus 2018/2019 basiert. Die massiv gestiegenen Investitionskosten tun ihr Übriges.
  4. Die Mobilität insgesamt wird sich deutlich verändern, und die alternativen Antriebstechnologien werden gigantische Entwicklungsgeschwindigkeiten zeigen. E-Busse (in China Standard) werden behindertengerecht auch in Europa kostengünstig und ohne große Infrastrukturmaßnahmen zur Verfügung stehen
  5. Gleisfreie Strecken können auch durch People-Mover und andere Verkehrsmittel flexibel erschlossen werden.
  6. Die Kosten der Citybahn sind im Vergleich zu flexiblen und modularen Lösungen sehr hoch (siehe unten: Kalkulation). Daran ändert auch die von Herrn Matthias Lück ideologisch eingefärbte Kalkulation nichts.

Meine kurze Stellungnahme zu der Rechnung von Herrn Lück: Wahrheiten kann man kurzfassen.

Vorweg eine Bemerkung zu meinem Hintergrund. Ich habe Betriebswirtschaft studiert und in 40 Berufsjahren hunderte Business Pläne für den Verkehrs- und Logistiksektor erstellt, die allesamt der Realität meiner Kunden standge-halten haben. Damit habe ich eine nachhaltig hohe Reputation erlangt. Man kann also davon ausgehen, dass ich mit realistischen Zahlen argumentiere.

  • Ich bin für den führenden Hersteller von E-Nutzfahrzeugen tätig, war vielfach in China, habe dort Preise und Kooperationen verhandelt. Diese sind bei den Bussen sogar konservativ kalkuliert! Herr Andreas Kowol stimmte übrigens diesen Preisen zu, meinte aber zu mir: “Wir dürfen nicht in China kaufen” – na toll. Nur gut, dass mir niemand verbieten konnte, bereits 2015 einen Tesla zu kaufen!
  • Herrn Lück wurde deutlich erklärt, dass wir mit einem Mix aus Gelenk- und Normalbussen gerechnet haben, im Mittel 120 Fahrgäste! Die gesamte Abhandlung zu Anzahl Fahrzeugen und Bussen ist irreführend, es gilt allein dieselben Kapazitäten zu vergleichen.
  • Bei den Infrastrukturkosten behauptet Herr Lück, sie würden nach derzeitigem Stand der Planung 297 Mio.€ betragen. Nach eigenen Angaben der Citybahn GmbH werden Baukosten in Höhe von 426 Mio.€ zuzüglich 20% Baunebenkosten 85 Mio.€ = 511 Mio.€ geschätzt. Außerdem muss auch der nicht unerhebliche Marketingaufwand in Höhe von 15,7 Mio.€ berücksichtig werden. Meine Kostenschätzung von 500 Mio.€ lag insoweit noch 26,7 Mio.€ zu niedrig. Das ist nun korrigiert.

Ergo: Unterm Strich bleiben die 3-fachen Kosten für die Citybahn gegenüber alternativen Lösungen. Diese Rechnung ist Realität, diffamierende Bezeichnungen und Kommentare von dritter Seite im Netz kommentiere ich nicht – meine Erziehung verbietet das.

Da spielt es auch keine Rolle, wer zunächst wieviel der Investitionen übernimmt – zahlen wird es letztlich immer der Bürger und Steuerzahler, ob an den Staat, das Land oder die Gemeinde. Und der Eigenanteil für diesen betriebswirtschaftlichen und volkswirtschaftlichen Unsinn, wird anderen sinnvolleren und bürgernäheren Investitionen entzogen.

Ich habe mich über die weit überwiegend positive Reaktion auf meinen damaligen Vortrag sehr gefreut. Bedauerlicher- und bezeichnenderweise folgten danach keine weiteren Einladungen von den Citybahn-Akteuren. Man hätte erwarten dürfen, dass gerade bei einem solchen Projekt, das von vielen Wiesbadenern sehr kritisch gesehen wird, eine differenzierte Perspektive und Expertise gehört wird. In der Demokratie sind unterschiedliche Meinungen essenziell.

So könnte ein intelligentes, die modernen Technologien nutzendes Konzept deutlich kostengünstiger und mit weitaus besserer Netzwerkwirkung (kürzere und komfortablere Door-to-Door Lösungen) realisiert werden.

Beispielhaft könnte dies wie folgt aussehen:

  1. S-Bahn-Strecken (Expresszüge) zusätzlich mit Stadtbahn belegen (2-3fache Zahl an Haltepunkten). Diese Stadtbahn fährt auf folgenden
    Linien:
    Flörsheim – WI Hbf. (Fahrdraht)
    Nierstein – Mainz Hbf – WI Hbf (Fahrdraht)
    Ingelheim – Mainz Hbf – WI Hbf (Fahrdraht)
    Limburg – WI Hbf via Niedernhausen (Ländchesbahn, Wasserstoff)
    Limburg – WI Hbf via Taunusstein (Aartalbahn, Wasserstoff).
  2. Von den wichtigen Haltepunkten der Stadtbahn auf den bestehenden 1435mm-Strecken zweigen Quartierbusse (Elektro) ab, da wo die Bahnhaltepunkte mehr als 300m von Wohngebieten entfernt sind.
  3. Die Radialen werden mit Expressbussen und Normalbussen belegt (alles Elektro oder Wasserstoff), im Peak wird im Platooning gefahren.
  4. Die Tangentialen werden mit E-Bussen bedient.
  5. Perspektivisch ist auch die Nutzung der 3. Dimension (siehe La Paz, Bolivien), auch wenn es spinnert klingt, möglich: Ab WI Hbf könnte dann beispielsweise eine Gondelanlage – lautlos, kostengünstig und flexibel – entlang dem Ring bis zur Nerobergbahn und eine weitere Linie via Dernsches Gelände bis zur Bierstädter Kreuzung installiert werden. Auch People Mover sind auf der Achse Hbf – Dernsches Gelände denkbar.

Der Unsinn mit der Straßenbahn ohne Netzwirkung und unter Fahrdraht, u.a. über die Biebricher Allee, sollte endgültig begraben werden.

Ansprechpartner:
Ralf Jahncke
TransCare GmbH
Tel: +49 (0) 611 7634 163
E-Mail: r.jahncke@transcare.de

Downloads:
“Citybahn Wiesbaden, Stellungnahme, Text
“Citybahn Wiesbaden, Stellungnahme, Kalkulation
“Citybahn Wiesbaden, Stellungnahme, Text mit Kalkulation



Neugierig geworden?
Nehmen Sie noch heute Kontakt zu uns auf.